Bienenprodukte, Bienengift, Bienenstockluft

Bericht von der 11. Österreichischen Apitherapietagung in St. Johann im Pongau von Dr. Erich Witzmann

Der aufgebaute Tisch am Podium des Vortragssaals im Kongresshaus mutete wie die Theke eines Barmixers an. Ein Mixer stand da, ein Rührstab, Honiggläser, Flaschen, Becher, ein Sieb, ein Trichter, ein Gerät zum Zerkleinern. Die Zubereitung von Oxymel, des Ur-Apitherapeutikums aus Honig und Essig stand auf dem Programm.

Wir befinden uns bei der 11. Österreichischen Apitherapie Tagung in St. Johann im Pongau, die am 18. und 19. Jänner dieses Jahres abgehalten wurde. Man müsse zu diesem Thema einige Tage reden, sagte der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Apitherapie (ÖGA), Anton Reitinger, als er einen Einblick in die Produktpalette eines Apitherapie-Imkers gab. Erstmals fand übrigens eine Api-Tagung in Westösterreich statt – und der enorme Besucherandrang bestätigte die richtige Wahl des Tagungsortes.

Aber der Reihe nach. Zum Workshop-Tag am Samstag, dem 18. Jänner, sind bereits 180 Teilnehmer und Teilnehmerinnen gekommen. Der erste Veranstaltungsteil war der „Schönheit aus dem Bienenstock“, so der Titel, gewidmet. Ulrike Gloger vom Api-Zentrum Ruhr in Nordrhein-Westfalen, bat eine Teilnehmerin auf ihre Behandlungsliege. Gesicht und Dekolleté werden vorerst mit Mikrotüchern gereinigt, die Haut eingefeuchtet und (bevorzugt) mit einem kristallinreichen Honig einmassiert. Wenn mit warmen Wasser (eventuell mit Propolisseife) der Honig abgenommen wird, sind die Poren geöffnet. Jetzt wird Gelée Royale in die Haut eingearbeitet. Eine halbe Stunde zuvor hat Ulrike Gloger bereits ein Drittel eines Jogurt-Bechers mit einem Teelöffel verrührt, der Inhalt wird mit einem breiten Pinsel auf das Gesicht und Dekolleté aufgetragen.

Sie zeige, wie man mit Bienenprodukten verwöhnen kann, sagte die Vortragende. Eine Behandlung dauert 30 bis 45 Minuten, sie kann im einwöchigen Rhythmus vorgenommen werden. Zumeist lassen sich Frauen verwöhnen, etwa zu zehn Prozent sind es Männer. Und in vielen Fällen bekämpfen Jugendliche mit einem Peeling ihre Pickeln im Gesicht und auf dem Rücken.

„Spezialprodukte in der Apitherapie“: Zu diesem Thema referiert Anton Reitinger und hob vorerst einmal die Grundvoraussetzungen hervor: sauberes Bienenwachs, unbelasteter Bienenstock, entsprechender Standort (keine Pflanzenschutzmittel in der Flugdistanz) und ein hygienisches Umfeld. Erst dann ist an eine entsprechend qualitätsvolle Produktion bzw. Anwendung der Bienenprodukte zu denken.

Der gesamte Nachmittag des ersten Tages war dem Oxymel-Workshop von Gabriele Nedoma gewidmet, bei dem mehrere Teilnehmer an der Herstellung dieses Api-Getränks mitwirken und alle Anwesenden Kostproben aus drei unterschiedlichen Honig-Essig-Mixturen verkosten konnten. Ein weiterer Vortrags Neodomas stand am zweiten Tagungstag auf dem Programm (Bericht siehe unten).

Den Abschluss des Samstags bildete die Generalversammlung der ÖGA, bei der Präsident Reitinger über den weiteren Ausbau der Homepage, über die neuen Apiterra-Hoftafeln und die zweite Auflage der achtseitigen Apitherapie-Folder „Die Biene als Therapeutin“ referierte. Schriftführerin Martina Brandstätter gab den aktuellen Stand von 460 Mitgliedern - davon33 Neumitglieder in den ersten Wochen dieses Jahres – bekannt. Bis zum Ender der Tagung folgten zudem noch weitere Eintritte.

Der Sonntag, 19. Jänner, war der Haupttag in St. Johann im Pongau, zu dem an die 400 Interessierte kamen. Den ersten Vortrag zum Thema „Ernährung, Bienenprodukte und Heilpflanzen bei Prostataproblemen und Wechselbeschwerden“ hielt Dr. Edmund Blab. Prostata sei bei Männern die häufigste bösartige Erkrankung, so der Ganzheitsmediziner und Kinderfacharzt aus Wien. Jeder Zweite der über 60-jährigen Männer und 90 Prozent der über 90Jährigen haben Probleme mit der Prostata (wobei ein Mikroprostatakarzinom nicht lebensgefährlich ist). Die Ursachen einer Prostataveränderung sind nicht restlos geklärt, Hormone spielen dabei aber eine wichtige Rolle. Die höchste Erkrankungsrate wird bei einem sehr niedrigen Testeronspiegel konstatiert, und dieser ist bei zunehmenden Alter oft gegeben. Östrogen und Dihydrotestosteron (die stärkste Testosteronform) müssen gesenkt werden.

Die völlige Stille bei Blabs Vortrag war zugleich ein Zeichen der konzentrierten Aufmerksamkeit. Testosteronkiller, so der Vortragende, seien Alkohol, Rauchen, Stress und Schlafmangel, Übergewicht und Bewegungsmangel. Bei den Behandlungsmöglichkeiten spielen Apitherapieprodukte eine wichtige Rolle. Propolis reduziert Dihydrotestosteron. Weiters helfen frischer Pollen, Waldhonig, Bienengiftsalbe und Gelée Royale bei Prostataleiden.

Östrogenmangel spielt auch bei Wechselbeschwerden eine Rolle. Von den Therapiemaßnahmen sei hier eine erwähnt: 14 Tage ein Esslöffel Pollen in Sonnenblumenhonig oder nur Sonnenblumenhonig - und den Frauen, die an einer 2015 vorgenommenen Studie teilnahmen, ging es tatsächlich besser.

„Oxymel in der Apitherapie“ stand auch am Sonntag auf dem Programm. Gabriela Nedoma, die „Botschafterin des Oxymel“, hat bereits in „Biene aktuell“, (Juli/August 2019) über die Medizin aus Honig und Essig ausführlich informiert und einige Rezepte empfohlen. Schon die einfache Mischung aus Honig und Essig ist pharmakologisch wirksam und trägt die Bezeichnung Oxymel simplex. Mit der Beigabe von Pflanzen steigt die Breitbandwirkung, sodass Oxymel zu einem Universalmittel wird. In den etwa 2500 Jahren, in denen dieses Ur-Apitherapeutikum angewendet wird, sind mehr als 1200 unterschiedliche Oxymel-Zubereitungen dokumentiert. Nedomas im März 2019 herausgegebenes Oxymel-Buch mit einem großen Spektrum an Zubereitungsvarianten wird derzeit bereits in der dritten Auflage hergestellt.

Die zweite Tageshälfte begann mit dem Thema „Bienengifttherapie, Verwendung der Bienenprodukte in der Apitherapie“, vorgetragen von Dr. Thomas Gloger. Der Chemiker, Imker und Bienensachverständige hat mit seiner Frau (der Vortragenden am Vortag) das Api-Zentrum Ruhr ins Leben gerufen. Seit 1888 ist die schon seit Jahrhunderten angewandte Bienengifttherapie auch nach wissenschaftlichen Expertisen anerkannt. Das gelbliche bis bräunliche Bienengift hat einen aromatischen Geruch, ein Gramm entspricht etwa 20.000 Stichen. Gloger referierte über die 78 Komponenten des Giftes und über die Arten der Gewinnung. Viren-Herpes, Rückenschmerzen, Krampfadern, Rheuma und Autoimmunerkrankungen sind nur einige der Anwendungsgebiete, wobei die Behandlung nur von Ärzten oder (in Deutschland) Heilpraktikern vorgenommen werden soll.

Ein angereistes niederländisches TV-Team filmte die bei der Tagung praktizierte Zuführung des Giftes einiger Bienen. Gloger lenkte auch den Blick auf Apilarnil, die tiefgefrorene Drohnenbrut, das er als männliches Pendant zum Gelée Royale bezeichnete.

„Arthrose, Rheuma, Gicht: Der Weg zur körperlichen Regeneration von zerstörtem hyalinem Knorpelgewebe in Gelenken“ war das Thema von Dipl.Ing. Michael Ernst Müller. Der Vortragende war Leistungssportler und beruflich in der Raumfahrttechnik tätig. 30 Jahre lang war er an einer fortschreitenden Arthrose erkrankt, konnte sich nur noch unter Schmerzen bewegen und bekam massive Herzprobleme. „Ich habe hunderte Studien quergelesen und die medizintechnischen Begriffe gelernt“, erzählte er. Bei der Arthrose handelt es sich um eine degenerative Gelenkerkrankung die im Gegensatz zur Arthritis nicht durch Entzündungsprozesse hervorgerufen wird. Langjähriger Nährstoffmangel, Bewegungsmangel, Gifte und eine Überbelastung sind die Ursachen für die fortschreitende Veränderung der Knochen- und Knorpelstruktur.

Michal Ernst Müllers Credo: Knorpelzellen können sich teilen und Kollagenfasern neu bilden. Wichtig bei einer Athroseerkrankung ist nun die radikale Änderung der Lebensgewohnheiten. Der Referent empfiehlt, nährstoffreiche Nahrungsmittel den erhältlichen Nahrungsergänzungsmittel vorzuziehen. Vitamin C ist besonders wichtig. Müller führte acht Behandlungsschritte aus, von der Umstellung auf basische Ernährung bis zu gelenkschonenden Ausdauersportarten. Zu dem von ihm empfohlenen Ernährungsplan mit einer detaillierten Angabe zählen auch Bienenprodukte. Der Erfolg stellte sich jedenfalls ein: Der gelernte Raumfahrttechniker ist heute komplett schmerzfrei.

Der letzte Vortrag behandelte „Apipronatura – Die Bienenstockluft-Therapie und deren Durchführung sowie Ergebnisse klinischer Studien“ von Jürgen Schmiedgen. Der Apitherapieimker aus dem deutschen Bundesland Sachsen hat das Beecura System entwickelt, ein Gerät zur Nutzung der Bienenstockluft. Das Dampfgemisch, das gefiltert aus dem Bienenstock eingeatmet wird, setzt sich aus Pollen, Propolis, Harzen, Honig, Wachs und weiteren natürlichen Substanzen zusammen. Indikationen, bei denen Schmiedgen Anwendungen durchführt, sind Atembeschwerden, Asthma, Bronchitis, SOPD (Raucherlunge), Heuschnupfen, Infektanfälligkeit, chronischen Kopfschmerzen und die Erweiterung der Lungenfunktion.

Drei Workshops und fünf Vorträge (alle mit anschließenden Diskussionen) – das war die Apitherapietagung 2020. Eine Vertiefung zu den Referaten kann über die Homepage der ÖGA (www.apitherapie.at) abgerufen werden. Die 12. Apitherapietagung Ende Jänner 2021 soll in Ostösterreich durchgeführt werden.